FWA
2000 Spalte 1041f
50 Jahre Genfer Konventionen zum Schutz der Kriegsopfer
Am 12. 8. 1999 bekräftigten UN-Generalsekretär Kofi
Annan und weitere namhafte Persönlichkeiten in Genf mit
einem Appell die Genfer Konventionen von 1949 zum Schutz der Kriegsopfer.
Darin fordern sie Völker, Nationen und Regierungen auf, gegen
die Ursachen des Kriegs zu kämpfen und die Achtung der elementaren
Grundsätze der Menschlichkeit und der Bestimmungen des humanitären
Völkerrechts sicherzustellen. In einer von der finnischen Ratspräsidentschaft
der Europäische Union (-> EU) aus Anlaß des 50. Jahrestags
der Konventionen in Genf veröffentlichten Erklärung werden
die Verstöße gegen die Konventionen verurteilt: in den
aktuellen Konflikten werde häufig kein Unterschied mehr zwischen
Kämpfenden und Zivilisten gemacht.
Die
vier Konventionen (auch Genfer Rotkreuz-Abkommen genannt), die
am 12. 8. 1949 durch die Vertreter von 59 Regierungen in Genf angenommen
wurden (bisher 188 Vertragsstaaten) sind:
1.
Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und
Kranken der Streitkräfte im Felde;
2.
Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken
und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See;
3.
Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen;
4. Genfer Abkommen zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten.
Vorläufer:
Die ersten drei Konventionen beruhen auf früheren Übereinkommen,
die aufgrund der Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg aktualisiert
und verbessert wurden: der vom Schweizer Henri Dunant (1828--1910;
Augenzeuge der Schlacht von Solferino zwischen sardinisch-französischen
und österreichischen Truppen 1859) angeregten �Konvention zur
Verbesserung des Loses der verwundeten Soldaten der Armeen im Felde�
vom 22. 8. 1864 über die Pflege Verwundeter durch beide Kriegsparteien
und den Schutz der Lazarette und Spitäler durch das �Rote Kreuz
im weißen Feld� (Umkehrung der Schweizer Nationalflagge) --
anläßlich der Haager Friedenskonferenz von 1899 ergänzt
durch eine Konvention über die Ausdehnung des Schutzes auf
Opfer des Seekriegs (�Abkommen über die Anwendung der Grundsätze
des Genfer Abkommens von 1864 auf den Seekrieg vom 29. 7. 1899�;
1907 abgeändert und als X. Haager Konvention bezeichnet) sowie
durch das �Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen�
vom 27.7. 1929. Die vierte Konvention ist neu, sie gewährt
den Zivilpersonen einen Schutz, den bisher nur Verwundete und Kriegsgefangene
hatten. Ihre Bestimmungen bezwecken u.a. den Schutz nichtmilitärischer
Krankenhäuser, das Verbot der Geiselnahme sowie das Verbot
von Folterungen und Körperstrafen.
Gemeinsame
Grundsätze der vier Genfer Konventionen: Sie regeln die
Behandlung von Soldaten und Zivilisten, die nicht mehr kämpfen,
und gelangen zur Anwendung, sobald ein bewaffneter Konflikt zwischen
zwei oder mehreren Vertragsparteien ausbricht. Bei einem bewaffneten
Konflikt ohne internationalen Charakter (Bürgerkrieg) auf dem
Territorium einer Vertragspartei ist diese gehalten, gegenüber
dem geschützten Personenkreis mindestens die Grundsätze
der Menschlichkeit anzuwenden und keine Diskriminierung vorzunehmen.
Zu diesem Zweck sind verboten: Angriffe auf das Leben und die Person
(Tötung, Verstümmelung, Grausamkeit und Folterung, Geiselnahme,
Beeinträchtigung der persönlichen Würde sowie Verurteilungen
und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordentlich bestellten
Gerichts in einem rechtsstaatlichen Verfahren). Geboten ist die
Bergung und Pflege der Verwundeten und Kranken. Am 8. 6. 1977 wurden
in Bern zwei Zusatzprotokolle über den Schutz der Opfer
internationaler bewaffneter Konflikte einschließlich Befreiungskriegen
(Protokoll I) und innerstaatlicher bewaffneter Konflikte (Protokoll
II) unterzeichnet. Sie sollen den Schutz der Zivilbevölkerung
verstärken und die Mittel und Methoden der Kriegführung
begrenzen. Das Protokoll I untersagt u.a. auch die Zerstörung
von Lebensmittel- und Wasservorräten sowie von Kulturen und
Vieh, die für das Überleben der Zivilbevölkerung
unentbehrlich sind. Ferner Angriffe gegen Staudämme und Kernkraftwerke,
sofern diese Anlagen nicht der regelmäßigen und direkten
Unterstützung militärischer Operationen dienen und ein
Angriff große Verluste unter der Zivilbevölkerung bewirken
könnte. Verboten ist auch der Einsatz von Kampfmitteln, die
der natürlichen Umwelt ausgedehnte, bleibende schwere Schäden
zufügen. Das Protokoll II findet nur in jenen Konflikten Anwendung,
die auf dem Gebiet eines Vertragsstaates zwischen seinen Streitkräften
und dissidenten Streitkräften oder organisierten bewaffneten
Gruppen ausgetragen werden.
Überwachung
der Einhaltung der Genfer Konventionen, die Weiterentwicklung
des humanitären Völkerrechts, Schutz und Hilfe für
Kriegsopfer in internationalen und innerstaatlichen Konflikten sowie
das Eintreten für politische Häftlinge ist Aufgabe des
1863 gegründeten Internationalen Komitees vom Roten Kreuz
(IKRK) mit Sitz in CH-1202 Genf, Tel.: (0041)22-7346001, Fax:
-7332057. Internet: http://www.icrc
Die
Rechtsstellung der Flüchtlinge wurde am 28. 7. 1951
durch das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
(sog. Genfer Flüchtlingsabkommen) sowie ein Zusatzprotokoll
von 1967 geregelt (bisher traten 137 Staaten einem dieser beiden
Vertragswerke bei). Sie bilden die Rahmenbedingungen für die
Tätigkeit des 1951 geschaffenen Hohen Kommissars für Flüchtlinge
(UNHCR), dessen Hauptfunktionen heute die Gewährung eines internationalen
Rechtsschutzes für Flüchtlinge und die Suche nach dauerhaften
Lösungen für ihre Probleme ist.
Zurück
|