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Chronik: Belgien

FWA 2000, Sp. 54

Aff�ren und Skandale bestimmen weiterhin die innenpolitische Entwicklung und f�hren zu einer Niederlage der Koalitionsparteien unter F�hrung von Ministerpr�sident Jean-Luc Dehaene bei den Parlaments- und Europawahlen im Juni 1999.

Asylpolitik

Der Tod einer abgelehnten nigerianischen Asylbewerberin w�hrend eines zwangsweisen Abschiebungsversuchs am 22.9. 1998 ruft heftige Kritik in der �ffentlichkeit hervor. Innenminister Louis Tobback (SP) �bernimmt die politische Verantwortung und tritt am 26.9. zur�ck; zuvor verf�gte er einen vorl�ufigen Stopp der zwangsweisen R�ckf�hrung. Der neue Innenminister Luc Van Den Bossche (PS) leitet Initiativen zu einer �Humanisierung der Asylpolitik� ein.

Bestechungsaff�re

Im Agusta-Dassault-Proze�, der am 2.9. 1998 gegen zw�lf Angeklagte er�ffnet wurde, verurteilt das Br�sseler Kassationsgericht am 23.12. zw�lf ranghohe Politiker und Industriemanager wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit R�stungsgesch�ften zu Haftstrafen zwischen drei Monaten und drei Jahren Gef�ngnis auf Bew�hrung. Willy Claes, ehemaliger NATO-Generalsekret�r (1994 / 95) und langj�hriger belgischer Wirtschafts- und Au�enminister, der passiven Bestechung f�r schuldig befunden, erh�lt drei Jahre Haft auf Bew�hrung; dar�ber hinaus werden ihm die b�rgerlichen Ehrenrechte f�r f�nf Jahre aberkannt. Der ehemalige Verteidigungsminister Guy Co�me sowie der ehemalige Parteivorsitzende der wallonischen Sozialisten Guy Spitaels, die ihre Schuld bestreiten, erhalten je zwei Jahre Gef�ngnis auf Bew�hrung, ebenso der franz�sische Industrielle Serge Dassault wegen aktiver Bestechung. Das Gericht sah es als erwiesen an, da� die Verurteilten �ber die Schmiergeldzahlungen des italienischen Helikopterherstellers Agusta und des Flugzeugproduzenten Dassault in den Jahren 1988 und 1989 auf Geheimkonten der SP und PS informiert waren.

Dioxin-Skandal

Die Entdeckung gro�er Mengen stark dioxin- und furanverseuchter Eier und H�hnerprodukte in Belgien f�hrt Anfang Juni 1999 zur gr��ten Lebensmittelkrise in der Europ�ischen Union (EU) seit der Rinderseuche BSE 1996. Die EU-Kommission, die am 27.5. von der belgischen Regierung informiert worden ist, verf�gt in den folgenden Tagen umfassende Verkaufsverbote f�r Gefl�gel, Eier, Milchprodukte, Rind- und Schweinefleisch. Am 1.6. treten die bisher zust�ndigen Minister f�r Landwirtschaft bzw. Gesundheit, Karel Pinxten und Marcel Colla, zur�ck; sie waren seit Ende April �ber einen Dioxingehalt in Gefl�gelprodukten, der die gesetzliche Norm um das 1500fache �berschreitet, informiert. Als Ursache der Verseuchung gilt Tierfett, das vermutlich mit dioxinhaltigen technischen Fetten versetzt und an Futtermittelhersteller geliefert wurde. Am 3.6. k�ndigt Luc van den Bossche, der zus�tzlich das Gesundheitsresort �bernommen hat, ein befristetes totales Transport- und Schlachtverbot f�r fast alle Tierarten an. Insgesamt sind etwa 10 % der belgischen Lebensmittelproduktion von den Einschr�nkungen betroffen. Angesichts der bevorstehenden Parlaments- und Europawahl erkl�rt die belgische Regierung am 8.6. einen erheblichen Teil der Vermarktungsbeschr�nkungen als ��bertrieben� und nach Pr�fung zahlreicher landwirtschaftlicher Betriebe f�r nicht mehr gerechtfertigt. Der von der Regierung eingesetzte Krisenmanager Fred Chaffart sch�tzt die Folgen des Dioxin-Skandals Ende Juni auf umgerechnet 2,9 Mrd. DM. Weitere Kosten in H�he von etwa 735 Mio. DM entstehen durch die von der neuen Regierung am 30.7. verf�gte R�cknahmeaktion von etwa 80 000 t Fleischprodukten und deren Vernichtung.

Am 9.8. akzeptiert die Regierung neue Regeln der EU f�r die Kontrolle von Lebensmitteln auf eine m�gliche Dioxin-Verseuchung.

Coca-Cola-Skandal

Nachdem gesundheitsgef�hrdende Substanzen in Coca-Cola-Getr�nken festgestellt wurden, ruft der Konzern am 13.6. 1999 15 Mio. Flaschen und Dosen der Limonade aus belgischer Produktion zur�ck. Auch in Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden werden verd�chtige Kontingente sichergestellt.

Parlamentswahl und neue Regierung

Die Koalitionsparteien m�ssen bei der Wahl am 13.6. 1999 den Verlust von mehr als 20 % ihrer Sitze hinnehmen. Die oppositionellen Liberalen in Wallonien (VLD 14,2 %) und Flandern (PRL- FDF- MCC 10,1 %) werden mit zusammen 41 Mandaten (+2) erstmals in der Geschichte des Landes st�rkste politische Kraft; die Gr�nen (Agalev 7,0 bzw. Ecolo 7,2 %) verdoppeln fast ihre Mandate (20), der rechtsorientierte Vlaams Blok (VB) gewinnt 9,8 % und 15 Mandate (+4). Die Christsozialen in Wallonien (CVP), gef�hrt von Ministerpr�sident Dehaene, kommen auf einen Stimmenanteil von 14 % (-3,2 % gegen�ber 1995); zusammen mit der fl�mischen Schwesterpartei PSC (6,1 %) erhalten sie 32 Sitze (-9). Auf die mitregierenden Sozialisten (SP und PS) entfallen 9,5 bzw. 10,3 % und zusammen 33 Mandate (-12).

Als Konsequenz aus der Wahlniederlage erkl�rt Ministerpr�sident Dehaene am 14.6. 1999 seinen R�cktritt. Am 12.7. vereidigt K�nig Albert II. die neue Regierung, die sich auf 94 der 150 Abgeordneten im Parlament st�tzen kann und der sieben liberale, sechs sozialistische und zwei gr�ne Minister angeh�ren. Im Koalitionsvertrag haben sich die drei Parteien auf eine Steuerreform, die Absenkung der Lohnnebenkosten und den Ausstieg aus der Atomenergie vom Jahr 2014 an geeinigt. Neuer Ministerpr�sident ist Guy Verhofstadt, Au�enminister wird Louis Michel, Finanzminister Didier Reiynders. Der fr�here Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Verbrechen der Dutroux -Bande, Marc Verwilghen, wird Justizminister.

Am 15.7., einen Tag nach seinem Gespr�ch mit dem leitenden L�tticher Staatsanwalt Hubert Massa, zust�ndig f�r die Ermittlungen im Fall Dutroux sowie im Fall des vor acht Jahren ermordeten Sozialistenf�hrers Cools, wird Massa tot aufgefunden.

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Aktuelle Informationen zu diesem und allen �brigen Themen des ARCHIVS finden Sie im Fischer Weltalmanach 2001 und im Digitalen Fischer Weltalmanach 2001.