FWA 2000, Sp. 54
In dem seit langem anhaltenden Streit um ein Gerichtsverfahren gegen zwei libysche mutma�liche Urheber des Bombenanschlags vom Dezember 1988 auf ein US-Verkehrsflugzeug �ber der schottischen Ortschaft Lockerbie wird nach zehn Jahren eine �bereinkunft erzielt, die zum Ende der UN- und US-Sanktionspolitik gegen Libyen und zum formellen Wiedereintritt des Landes in die internationale Politik f�hrt. Nachdem Gro�britannien und die USA im August 1998 darauf verzichtet haben, die Verd�chtigen unter ihre Gerichtsbarkeit zu stellen, beginnen erneut Verhandlungen um Ort und Umst�nde eines Verfahrens gegen sie und ihrer eventuellen Strafverb��ung. Beim Besuch von UN-Generalsekret�r Kofi Annan am 5.12. 1998 in Tripolis erkl�rt Revolutionsf�hrer Muammar al-Gaddafi, die Entscheidung �ber die Auslieferung der beiden Verd�chtigen sei eine Angelegenheit des Allgemeinen Volkskongresses, der am 8.12. zusammentritt. Am 15.12. hei�t es in einer Meldung des libyschen Fernsehens, der Volkskongre� habe grunds�tzlich zugestimmt. Nach weiteren Vermittlungsbem�hungen seitens des s�dafrikanischen Pr�sidenten Nelson Mandela und des saudiarabischen Botschafters in den USA, Prinz Bandar bin Sultan, gibt Gaddafi in einer Fernsehansprache am 5.4. 1999 bekannt, da� die beiden angeblichen Geheimdienstmitarbeiter Al Amin Khalifa Fhimah und Abdel Basset Ali Megrabi am selben Tag in die Niederlande �berstellt werden. Dort soll ihnen vor einem schottischen Gericht der Proze� gemacht werden soll; im Falle einer Verurteilung sollen sie ihre Strafe unter UN-Aufsicht in Schottland verb��en. Die Tatverd�chtigen werden unter gro�en Sicherheitsvorkehrungen am 6.4. auf dem (f�r die Dauer des Verfahrens unter britisches Hoheitsrecht gestellten) Luftwaffenst�tzpunkt Camp Zeist bei Utrecht einem Untersuchungsrichter vorgef�hrt, der Anklage wegen Mordes und Anstiftung zum Mord erhebt. Die Beschuldigten erkl�ren sich nicht schuldig. Bei einer Anh�rung am 7.6. erhalten die Anw�lte der Verteidigung einen Aufschub zur Vorbereitung des Verfahrens, dessen Beginn vorl�ufig auf den 4.2. 2000 festgesetzt wird.
Nachdem der UN-Sicherheitsrat am 5.4. beschlie�t, die 1992 gegen Libyen verh�ngten Sanktionen (Luftverkehrsembargo und Handelsbeschr�nkungen) vorl�ufig auszusetzen, bem�hen sich zahlreiche Staaten um die Normalisierung der Beziehungen zu Libyen. Am 20.4. setzt auch die Europ�ische Union (EU) ihre Sanktionen aus. Anfang Mai bieten die meisten internationalen Fluggesellschaften wieder Linienfl�ge nach Tripolis an.
Bereits am 8.3. ist in Paris ein Verfahren gegen sechs Angeh�rige des libyschen Geheimdienstes (darunter der Auslandschef des Dienstes, ein Schwager Gaddafis) er�ffnet worden; ihnen wird vorgeworfen, den Bombenanschlag auf eine franz�sische Verkehrsmaschine geplant zu haben, deren Absturz �ber nigerianischem Staatsgebiet am 19.9. 1989 170 Tote forderte. Nachdem die Angeklagten am 10.3. zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden sind, begleicht Libyen am 16.7. die vom Gericht festgesetzten Entsch�digungszahlungen an die Hinterbliebenen der Opfer in H�he von 31 Mio. US- $ . Zu einem �hnlichen Ausgleich kommt es mit Gro�britannien, nachdem Libyen die Verantwortung f�r die Erschie�ung einer britischen Polizistin durch libysche Botschaftsangeh�rige (1984) �bernommen hat; der britische Au�enminister Robin Cook k�ndigt am 7.4. die baldige Wiederaufnahme der damals abgebrochenen diplomatischen Beziehungen an. Lediglich die US-Sanktionen aus dem Iran-Libya-Sanctions Act haben zun�chst noch Bestand. Am 12.6. 1999 treffen in New York im Beisein von UN-Generalsekret�r Annan der libysche UN-Botschafter Abu Zed Omar und der Staatssekret�r im US-Au�enministerium Martin Indyk zusammen, um �ber die Bedingungen f�r die vollst�ndige Aufhebung der Sanktionen zu beraten. Es ist der erste offizielle diplomatische Kontakt zwischen den beiden L�ndern seit �ber 18 Jahren.
Libyens R�ckkehr auf die diplomatische B�hne hat sich seit l�ngerem in den Beziehungen zur arabischen Welt und den afrikanischen Staaten vollzogen. Sie wird dadurch bekr�ftigt, da� Revolutionsf�hrer Gaddafi im Juni und Juli 1999 als Vermittler sowohl im sudanesischen B�rgerkrieg als auch im Kongokonflikt und in der Auseinandersetzung zwischen Eritrea und �thiopien auftritt.
Nach Sch�tzungen des Weltw�hrungsfonds sind Libyen in den sechs Jahren des Embargos Verluste von 24 Mrd. US- $ entstanden, die jedoch aufgrund der hohen Einnahmen aus dem Erd�lgesch�ft (rund ein Viertel des BIP) zu keinem Zeitpunkt den Staatshaushalt gef�hrdeten. Die Sanktionen behinderten das Land allerdings bei der - bedingt durch den sinkenden Erd�lpreis - notwendigen Ausweitung der F�rderung, f�r die Libyen auf ausl�ndische Investoren angewiesen ist. Nach Wirtschaftsinformationen f�rdert der italienische Energiekonzern ENI mehr als 15 % des libyschen Erd�ls.
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