FWA
2001 Spalte 160f
Bei der Präsidentschaftswahl am 18.3.2000 erleidet die Kuomintang
(KMT) nach über 50 Jahren ununterbrochener Herrschaft eine
schwere Niederlage. Ihr Kandidat um die Nachfolge von Präsident
Lee Teng-hui, der amtierende Vizepräsident Lien Chan,
kommt mit 23,1% der Stimmen nur auf den dritten Platz. Gegen ihn
und den früheren, im Herbst 1999 ausgeschlossenen KMT-Generalsekretär
und Gouverneur der Provinz Taiwan, James Soong (36,8%), setzt
sich Chen Shui-bian durch (39,3%), Vorsitzender und Kandidat
der oppositionellen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP). Chen
war zwischen 1994 - 98 Bürgermeister von Taipeh und gilt als
innenpolitischer Reformer, der sich insbesondere der Bekämpfung
der Korruption und des organisierten Verbrechens verschrieben hat.
Da die DPP in ihrem Programm die staatliche Unabhängigkeit
Taiwans fordert, wird sein Sieg von der VR China, das den Wahlkampf
mit Kriegsdrohungen begleitete, erneut mit scharfen Warnungen quittiert.
In seiner Antrittsrede am 20.5. betont Chen, in seiner Amtszeit
weder die Unabhängigkeit auszurufen, noch ein Referendum dazu
abzuhalten oder die Zwei-Staaten-Theorie in die Verfassung einzuführen
- sofern die VR China nicht beabsichtigt, Gewalt gegen Taiwan anzuwenden.
Zugleich bietet er ihr Gespräche über die »Frage
des zukünftigen einen Chinas« an und ruft dazu auf, die
Ära des kalten Kriegs zu beenden.
Für
die Regierungsbildung ist Chen auf die Zusammenarbeit mit
der KMT angewiesen, die im Parlament über die Mehrheit verfügt.
Der frühere Verteidigungsminister Tang Fei (KMT) wird
am 20.5. als Ministerpräsident eines Koalitionskabinetts von
KMT und DPP vereidigt. Zur Vizepräsidentin ernennt Chen
die nationalistische DPP-Politikerin Annette Lu.
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