FWA
2001 Spalte 259f
Ausgangspunkt der Parteispendenaffäre ist ein Ermittlungsverfahren
der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den früheren CDU-Schatzmeister
(1971 - 92) Walther Leisler Kiep wegen des Verdachts der
Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Verkauf von 36 Spürpanzern
an Saudi-Arabien 1991. Kiep gibt am 5.11.1999 zu, gemeinsam
mit dem langjährigen CDU-Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
Horst Weyrauch 1991 vom Waffenhändler und Lobbyisten
Karlheinz Schreiber in der Schweiz eine Barspende von 1 Mio.
DM entgegengenommen zu haben; diese sei auf ein Treuhandkonto der
CDU eingezahlt worden. Der ehemalige CDU-Vorsitzende, Altbundeskanzler
Helmut Kohl, versichert am 6.11., er habe keine Kenntnis
von der Spende. Kiep erklärt am 17.11. vor der Staatsanwaltschaft
Augsburg, Kohl habe von dem System von Treuhandkonten gewusst
und persönlich über sie mitverfügt. Im CDU-Präsidium
räumt Kohl am 30.11. ein, während seiner Amtszeit
von der offiziellen Finanzstruktur der Partei getrennte Konten
für Sonderzahlungen an Parteigliederungen genutzt zu haben.
Der
Bundestag setzt am 2.12. einen 15-köpfigen Untersuchungsausschuss
»Parteispenden und Waffenhandel« ein, der einen möglichen
Einfluss von Spenden auf Entscheidungen der früheren Bundesregierung
überprüfen soll.
Kohl
erklärt in einem TV-Interview (16.12.), von 1993 bis 1998 Spenden
in einer Gesamthöhe zwischen 1,5 und 2 Mio. DM entgegengenommen
zu haben, die nicht im Rechenschaftsbericht als Spenden aufgelistet
worden seien, wie es das Parteiengesetz vorschreibt. Er lehnt es
ab, die Namen der Geldgeber zu nennen, da er ihnen sein Wort gegeben
habe.
In
der Öffentlichkeit wird am 19.12. bekannt, dass wesentliche
Aktenbestände über den Verkauf des Minol-Tankstellennetzes
in Ostdeutschland und der Leuna-Raffinerie an den französischen
Elf-Konzern im Jahr 1992 aus dem Kanzleramt verschwunden
sind. Bei dem Geschäft sollen rd. 30 Mio. DM an Bestechungsgeldern
in CDU-Kanäle geflossen sein.
Der
am 31.12.1999 vorgelegte korrigierte Rechenschaftsbericht der CDU
für 1998 weist für den Zeitraum 1993 bis 1998 Spendeneinnahmen
ungeklärter Herkunft in Höhe von 2,4 Mio. DM aus, 400000
DM mehr als von Kohl eingeräumt.
Die
Bonner Staatsanwaltschaft nimmt am 3.1.2000 Ermittlungen gegen
Kohl wegen des Anfangsverdachts der Untreue zum Nachteil der
CDU auf.
Der
CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble räumt am 10.1.
ein, 1994 von Schreiber eine Bargeldspende in Höhe von
100000 DM entgegengenommen und an die Schatzmeisterin Brigitte
Baumeister weitergegeben zu haben. Baumeister und Schreiber
widersprechen seiner Version.
Der
frühere CDU-Vorsitzende in Hessen, Manfred Kanther,
berichtet am 14.1.2000, dass er 1983 als damaliger Generalsekretär
für die Landespartei mit angeblich legalen Parteigeldern ein
geheimes Konto in der Schweiz eröffnet habe. Später seien
die Gelder bei der Liechtensteiner Tarnstiftung »Zaunkönig«
geparkt worden. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch
berichtet am 8.2., dass insgesamt 20,8 Mio. DM in die Schweiz transferiert
wurden. Von der durch Zinserträge vermehrten Summe flossen
- größtenteils als anonyme Erbschaften jüdischer
Emigranten getarnt - seit 1985 24,3 Mio. DM an den hessischen Landesverband
zurück. – Präsidium und Vorstand der CDU fordern
am 18.1. Kohl auf, den Ehrenvorsitz der Partei ruhen zu lassen,
bis er die Namen der anonymen Spender nennt. Kohl legt den
Ehrenvorsitz nieder, bleibt jedoch Bundestagsabgeordneter.
In
dem am 23.1. vorgelegten Bericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
über die Finanzpraktiken der CDU bleiben Herkunft und Verwendung
von Geldern bis zu 12 Mio. DM ungeklärt.
Bundestagspräsident
Wolfgang Thierse (SPD) entscheidet am 15.2., dass die CDU
wegen Verstoßes gegen das Parteienfinanzierungsgesetz 41,347
Mio. DM an öffentlichen Mitteln an die Bundeskasse zurückzahlen
muss. Der Rechenschaftsbericht für 1998 sei ungültig,
weil die im Ausland befindlichen 18 Mio. DM des Landes Hessen in
ihm nicht aufgeführt sind. Am 6.3. reicht die CDU in Berlin
Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen den Bescheid ein.
Der
Sonderermittler der Bundesregierung, Burkhard Hirsch (FDP),
berichtet dem Untersuchungsausschuss am 28.6., dass unmittelbar
nach der Niederlage der christlich-liberalen Koalition bei der Bundestagswahl
von 1998 im Kanzleramt ohne Rechtsgrundlage Akten manipuliert und
zwei Drittel des Datenbestandes gelöscht worden seien. Davon
betroffen seien u. a. sämtliche Vorgänge, bei denen sich
Verdacht auf Schmiergeldzahlungen ergeben habe.
Kohl
bezeichnet am 29.6. bei seiner ersten Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss
die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als Diffamierung und unhaltbare
Anschuldigungen.
Bundestagspräsident
Thierse verhängt am 19.7. gegen die CDU eine zweite
Bußgeldzahlung in Höhe von 6,5 Mio. DM als Sanktion für
die von Kohl illegal angenommenen und nicht ausgewiesenen
Spenden in Höhe von 2,2 Mio. DM. Um den materiellen Schaden
auszugleichen, hat Kohl den Betrag bereits durch eine private
Spendensammlung zusammengebracht und bis Anfang Juni 8 Mio. DM an
die Parteikasse der CDU überwiesen.
Das
Augsburger Landgericht stimmt am 1.8. der Eröffnung eines Hauptverfahrens
gegen Schreiber zu, dem Bestechung, Steuerhinterziehung sowie
Beihilfe zum Betrug und Veruntreuung vorgeworfen werden. Gegen Schreiber
läuft ein Auslieferungsverfahren in Kanada.
Nach
einer Gegenüberstellung von Schäuble und Frau Baumeister
im Untersuchungsausschuss am 29.8. bleiben beide bei ihren widersprüchlichen
eidesstattlichen Erklärungen über die Entgegennahme der
Bargeldspende von 100000 DM. Schäuble kann sich bei seiner
Vernehmung nicht an einen Transfer von 6 Mio. DM von der Unions-Fraktion
an die Bundes-CDU im Jahr 1982 erinnern.
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