FWA
2001 Spalte 374
Die Meinungsverschiedenheiten im UN-Sicherheitsrat um die Sanktionspolitik
und das Programm »Lebensmittel für Erdöl«
halten an. Einerseits wird dem Irak am 4.10.1999 eingeräumt,
den Umfang seiner Erdölexporte, für die Nahrungsmittel
und Güter des täglichen Bedarfs eingetauscht werden können,
zu erhöhen; am 10.12. wird mit Resolution 1281 des UN-Sicherheitsrats
die Obergrenze der Erdölexporte ganz aufgehoben. Andererseits
ist die Verlängerung des Programms, die bis zum November 1999
jeweils um sechs Monate erfolgt war, umstritten, und es bedarf massiver
irakischer Drohungen, um den UN-Sicherheitsrat im Dezember zu einer
weiteren sechsmonatigen Verlängerung zu bewegen. Der Leiter
des humanitären UN-Hilfsprogramms, Hans von Sponeck,
gibt am 14.2.2000 seine Demission bekannt und begründet diesen
Schritt mit seinen Zweifeln an der Wirksamkeit der bisherigen Sanktionspolitik.
Während die Zivilbevölkerung weiter leide, würden
die Wirtschaftssanktionen an den Grenzen zu den Nachbarländern
mühelos umgangen. Zum neuen Leiter des UN-Hilfsprogramms wird
am 28.3.2000 der Burmese Tun Myat ernannt. Auch Carol
Bellamy, Direktorin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen
(UNICEF), die sich am 16.11.1999 in Bagdad aufhielt, fordert, der
irakischen Regierung nicht nur Sachleistungen, sondern auch direkte
Finanzhilfe zukommen zu lassen. Nach Untersuchungen von UNICEF hat
sich die Kindersterblichkeit seit Beginn der Sanktionen mehr als
verdoppelt, 20% aller Kinder leiden an Unterernährung. Das
Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zeigt sich in einem
Bericht vom 1.3.2000 ebenfalls sehr besorgt über die humanitäre
Situation im Irak nach zehn Sanktionsjahren. Das ursprünglich
vorbildliche Gesundheitssystem und die öffentliche Infrastruktur
seien in einem erschreckenden Ausmaß zusammengebrochen. Das
Pro-Kopf-Einkommen im Irak sei innerhalb von zehn Jahren von über
3000 auf 252 US-$ gesunken. Am 24.3. warnt daraufhin UN-Generalsekretär
Kofi Annan davor, der UN die Schuld am Leiden der irakischen
Zivilbevölkerung zuzuschreiben. Ende März zeigt sich erstmals
auch auf US-Seite deutlich ein Überdenken der bisherigen Sanktionspolitik,
als der UN-Sicherheitsrat auf US-Vorschlag die Sanktionen gegen
die irakische Ölindustrie aufhebt, die eine Modernisierung
der Anlagen bisher verhindert hatten.
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