FWA
2001 Spalte 57f
Auch
das Ringen der Zivilgesellschaft um mehr Pressefreiheit und
Parteienpluralismus wird von der Auseinandersetzung mit dem politischen
Islam geprägt. Redakteure der oppositionellen ash-Shaab Zeitung
werden am 1.4. wegen Verleumdung des Landwirtschaftministers zu
Gefängnisstrafen verurteilt. Seit der Revision des Pressegesetzes
1996, bei der üble Nachrede als Straftatbestand aufgenommen
worden ist und mit Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren
belegt werden kann, hat sich die Anzahl der inhaftierten Journalisten
damit auf zehn erhöht. Es sind dann Redakteure dieser Zeitung,
Sprachrohr der Muslimbruderschaft und der religiösen Fundamentalisten,
die am 5.5. einen Streit um den staatlich subventionierten Neudruck
eines bekannten Romans des syrischen Autors Haidar Haidar
auslösen. Mit Verweis auf blasphemische Passagen erhebt die
Zeitung Klage beim Staatssicherheitsgericht gegen den Verleger und
fordert den Rücktritt von Kultusminister Faruk Hosni.
Zur Muslimbruderschaft zählende Studenten der Al-Azhar-Universität
rufen daraufhin zu Protestaktionen auf, die am 8.5. in den gewalttätigsten
Unruhen seit dem Golfkrieg enden. Der Rektor der Al-Azhar-Universität,
deren religiöse Autoritäten in der sunnitisch-islamischen
Welt großes Gewicht haben, unterstützt am 14.5. öffentlich
die protestierenden Studenten. Die Regierung suspendiert daraufhin
am 21.5. die Arbeitspartei und unterbindet damit auch das weitere
Erscheinen der ash-Shaab Zeitung, die für die innenpolitische
Polarisierung und Mobilisierung der Studenten verantwortlich gemacht
wird. Vier Monate vor den geplanten Parlamentswahlen wird am 19.7.
die Führung der Arbeitspartei und der Herausgeber der Zeitung
von der Staatsanwaltschaft wegen Zusammenarbeit mit den verbotenen
Muslimbrüdern formell angeklagt. Am 30.6. war bereits der bekannte
Bürgerrechtler und Wissenschaftler Saadeddin Ibrahim
wegen der Entgegennahme nichtgenehmigter Finanzierungen und der
Fälschung von Wählerkarten verhaftet worden.
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