FWA
2001 Spalte 62ff
Die
vom im April 1999 neu gewählten Staatspräsidenten Abdelaziz
Bouteflika eingeleitete Politik der nationalen Versöhnung,
die zur Beilegung der seit 1992 ausgetragenen bewaffneten Auseinandersetzungen
mit islamistischen Fundamentalisten führen soll, bestimmt die
innenpolitische Entwicklung. Beide Häuser des Parlaments hatten
im Juli 1999 einem Amnestiegesetz zugestimmt, das all jene Islamisten
einschließt, die nicht an Gräueltaten, Morden oder Vergewaltigungen
beteiligt waren. Den betroffenen Personen wird dabei je nach Schwere
der Straftat eine Strafbefreiung, eine Aussetzung der Strafe zur
Bewährung oder eine Strafminderung zugesichert. Bouteflika
hatte nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom April
ein Referendum über das Amnestiegesetz als nachträgliche
Bestätigung seiner Person und Politik in der Bevölkerung
vorgeschlagen, wobei ihm das neue Mandat auch bei der Vergrößerung
seines politischen Handlungsspielraums gegenüber dem Militär
behilflich sein soll. Das Referendum wird am 16.9. von der
Bevölkerung mit 98,6% der Stimmen (landesweite Stimmbeteiligung
85%) gebilligt. Auch in den Regionen, die besonders unter den Terroranschlägen
zu leiden hatten, findet das Referendum große Zustimmung.
Die
Armée Islamique du Salut (AIS), der militärische Flügel
der Islamischen Heilsfront (Front Islamique du Salut / FIS), nimmt
das Amnestieangebot Bouteflikas offiziell an, und löst
sich, nachdem die Regierung eine Wiedereingliederungshilfe zugesichert
hat, am 11.1. auf. Obwohl bis zum 13.1., der letzten im Amnestiegesetz
genannten Frist, auch hunderte Mitglieder der Groupe Islamique Armé
(GIA) die Waffen niederlegen, sind große Teile der Gruppierung
zur Fortsetzung des Kampfes entschlossen. Ab dem 24.9.1999 und insbesondere
während des Fastenmonats Ramadan (Dezember–Januar) kommt
es zu neuen Überfällen und Massakern der Terrorgruppen
gegen die Zivilbevölkerung und Sicherheitskräfte. In der
folgenden Zeit fallen monatlich ca. 200 Personen (Terroristen eingerechnet)
den Auseinandersetzungen zum Opfer. Insgesamt hat sich aber die
Sicherheitslage im Land spürbar verbessert. Die Versöhnungspolitik
von Präsident Bouteflika erleidet einen Rückschlag,
als am 22.11. Abdelkader Hachani, der führende gemäßigte
Repräsentant des FIS, einem Attentat zum Opfer fällt.
Obwohl ein GIA-Mitglied den Mord gesteht, vermuten FIS-Kreise die
Auftraggeber unter den Vertretern eines harten Kurses des Regimes.
In der Folgezeit muss Bouteflika dem Druck der Militärführung
nachgeben, und ab dem 2.12. geht auch die Armee wieder massiver
gegen die Fundamentalisten vor. Um die laufenden Verhandlungen mit
den verbleibenden Terrorgruppen nicht zu torpedieren, gibt Bouteflika
am 20.3.2000 die unbefristete Verlängerung des Amnestieangebots
bekannt. Zugleich beginnt die Armee jedoch im Westen und Osten des
Landes mit einer neuen Offensive gegen diejenigen Gruppen, die das
Amnestiegebot zurückgewiesen hatten. Der von Präsident
Bouteflika im Juni beanspruchte militärische Sieg über
den Terrorismus wird jedoch durch eine deutliche Zunahme von Massakern
und Gewalttaten widerlegt.
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