FWA
2001 Spalte 683f
Spanien
erwarb 1885 die Küstengebiete von Saguía el Hamra und
Río de Oro an der nordwestafrikanischen Atlantikküste
und dehnte seine Herrschaft auch ins Hinterland aus. Von 1901 an
bildete die Spanische Sahara eine eigene koloniale Verwaltungseinheit,
bis das Gebiet nach dem Tod des spanischen Diktators Francisco
Franco und unter dem Eindruck des »Grünen Marsches«
vom November 1975 - einer Invasion der Westsahara durch 350000 unbewaffnete
Marokkaner
Anfang 1976 von Spanien gegen den Widerstand der Befreiungsbewegung
Frente POLISARIO (Frente popular para la liberación de Saguía
el Hamra y Río de Oro) zur gemeinsamen Verwaltung an Marokko
und Mauretanien abgegeben wurde. Am 28.2.1976 proklamierte der Frente
POLISARIO die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS)
und setzte seinen bewaffneten Kampf um Unabhängigkeit fort.
Dies führte dazu, daß Mauretanien am 15.8.1979 seine
Ansprüche fallen ließ und sich aus dem von ihm besetzten
Teil im Süden der Westsahara zurückzog, wobei Marokko
im Gegenzug auch diesen Teil der Westsahara, der kaum Bodenschätze
wie im übrigen Gebiet (Phosphatlager bei Bou Craa) besitzt,
jedoch über reiche Fischgründe an der Küste verfügt,
annektierte. Es folgten weitere verlustreiche Kämpfe zwischen
dem Frente POLISARIO und den marokkanischen Truppen. Am 29.4.1991
billigte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) einen Friedensplan
des UN-Generalsekretärs Javier Perez de Cuéllar,
der einen Waffenstillstand, ein Referendum über die politische
Zukunft der Westsahara und die Stationierung der UN-Beobachtermission
MINURSO (Mission des nations unies pour le référendum
au Sahara occidental) vorsah. Marokko und der Frente POLISARIO akzeptierten
den Plan, die vereinbarte Feuerpause trat am 6.9.1991 in Kraft;
die Volksbefragung, die zunächst 1992 stattfinden sollte,
kommt nicht zustande, weil sich die Gegner bis heute nicht
darüber einigen konnten, welcher Personenkreis zum Referendum
zugelassen werden soll. Während der Frente POLISARIO, wie ursprünglich
auch die UN, als Grundlage die aktualisierte letzte Volkszählung
durch die spanischen Kolonialbehörden von 1974 heranziehen
wollte, wonach von etwa 74000 Stimmberechtigten auszugehen wäre,
liess König Hassan II. von Marokko seit 1991 über
100.000 Menschen in Zeltlager (»Lager der Einheit«)
in der Westsahara transportieren: Marokkaner, die angeblich während
der spanischen Besetzung aus der Westsahara nach Marokko ausgewandert
oder geflohen seien, »sahraouische Wurzeln« haben und
somit stimmberechtigt sein sollten. Marokko besteht seitdem auf
dem Einschluss weiterer Stämme und Unterstämme
(in einer Gesamtzahl von ca. 170000 Personen), während der
Frente POLISARIO die Kriterien für den Einschluss zusätzlicher
Wahlberechtigter sehr eng zu fassen sucht. – Die Wähleridentifizierung
begann im August 1994. 1996 setzte der UN-Sicherheitsrat jedoch
den Identifikations- und Registrierungsprozess aus, da weder die
marokkanische Regierung noch der Frente POLISARIO Interesse an Fortschritten
hinsichtlich der Vorbereitung des Referendums zeigten. POLISARIO
drohte mit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes. – Entscheidend
für die weitere Entwicklung war der Amtsantritt des neuen Generalsekretärs
Kofi Annan (1.1.1997). Im Gegensatz zu seinem Vorgänger
gilt er als unabhängiger Vermittler, und er vermochte insbesondere
auch in den USA wieder das Interesse am Verhandlungsprozess zu wecken,
indem er den ehemaligen Außenminister James A. Baker
zu seinem persönlichen Abgesandten in der Westsahara-Frage
ernannte. Baker gelang es im sog. Houston-Abkommen vom September
1997 einen Kompromiss in der Registrierungsfrage zu erreichen,
demzufolge die Angehörigen von drei umstrittenen Stämmen
nicht – wie von Marokko gewünscht – global zugelassen,
sondern ihre Ansprüche als Einzelpersonen geprüft werden
sollten. Zudem verständigte man sich auf einen Teilrückzug
der marokkanischen Truppen, einen Austausch von Gefangenen und die
Rückführung eines Großteils der Flüchtlinge
aus den Lagern in Südalgerien. Doch die marokkanische Seite
verhinderte durch nachträgliche Einwände und die Verzögerung
von Durchführungsbestimmungen den Fortgang des Prozesses. Im
September 1998 wurde die erste Phase der Identifizierung abgeschlossen.
Der ursprünglich in Houston ins Auge gefasste Termin für
das Referendum (7.12.1998) verstrich erneut. Marokko erreichte im
Mai 1999 eine nochmalige Nachbesserung der Identifikationskriterien,
wonach nun erstmals auch mündliche Angaben von Wahlbewerbern
zugelassen wurden. Zugleich wurde das Referendum nun auf Juli 2000
angesetzt.
Am 15.7.1999 veröffentlichten die UN die Ergebnisse der ersten
Registrierungsphase: Danach werden 84251 Personen zur Wahl zugelassen,
von denen sich ca. 40% in algerischen Flüchtlingslagern, 55%
auf dem Territorium der Westsahara und 5% in Mauretanien aufhalten.
In der im Januar 2000 beendeten zweiten Phase, in der Einsprüche
verhandelt und die Anspruchsgrundlagen der zusätzlichen Stämme
geprüft wurden, akzeptierte die MINURSO nur 2130 der angehörten
und von Marokko zusätzlich reklamierten rd. 65000 Wähler
der drei Stämme. Damit ergibt sich eine Gesamtzahl von 86381
potentiellen Wählern. Marokko legte unmittelbar Protest
ein und besteht auf Berufungsverfahren in 135000 Fällen, was
den Prozess weiter in die Länge zieht. Am 17.2.2000 verschiebt
UN-Generalsekretär Annan das für Juli 2000 geplante
Referendum auf unbestimmte Zeit, da neuerliche Verhandlungen
erforderlich seien. – Die Gespräche unter Leitung von
Baker begannen am 14.5.2000 in London und wurden im Juni
(in London) und Juli (in Genf) fortgesetzt, wobei jedoch kein Durchbruch
bei der Suche nach Alternativen zum bisherigen Lösungsmodell
(Referendum über Unabhängigkeit oder Verbleib bei Marokko)
erreicht wurde.
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