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Russische F�deration: Wirtschaft, W�hrung, Soziales

FWA 99, Spalte 605

Die Russische F�deration liegt im Transformationsproze� weit hinter den ost- bzw. mitteleurop�ischen Staaten zur�ck. Marktwirtschaftliche Reformen wurden bisher nur sehr z�gerlich umgesetzt. Wegen der schweren Finanz- und W�hrungskrise, die im August 1998 einen vorl�ufigen H�hepunkt erreicht, ist vorerst eine Versch�rfung der Wirtschaftskrise zu erwarten.Der seit 1990 andauernde R�ckgang des realen BIP, das 1996 nur noch 62,2 % des Niveaus von 1991 erreichte, kam 1997 vor�bergehend zum Stillstand (1997: +0,8 %; Januar-Juli 1998: -1,1 %). Der Anstieg der Verbraucherpreise verlangsamte sich 1997 auf 14,6 % (1996: 47,6 %). Die Arbeitslosenquote lag Ende Mai 1998 bei 8,3 %. Im 1. Halbjahr 1998 lag das Einkommen von 32 Mio. Personen unter dem Existenzminimum von 429 Rubel (rd. 70 US-$). Die sozialen Spannungen wachsen. Allerdings finden bis zu 50 % aller wirtschaftlicher Aktivit�ten in der Schattenwirtschaft statt. Tauschhandel ist weit verbreitet.

Nach Angaben von Innenminister Anatolij Kulikow von Mitte Februar wird die Wirtschaft zunehmend von der organisierten Kriminalit�t durchdrungen. �ber 40 000 Unternehmen w�rden von mafiosen Vereinigungen kontrolliert, darunter Staatsbetriebe, Aktiengesellschaften und Banken.

Zentrales Problem sind die chaotischen Zust�nde im �ffentlichen Finanzwesen: Obwohl die Regierung ihre Bem�hungen um eine bessere Steuereintreibung verst�rkt hat, bleiben die Steuereinnahmen weiterhin deutlich hinter den Planungen zur�ck. Trotz der �u�erst angespannten Lage der �ffentlichen Haushalte kommt die seit Jahren diskutierte Steuerreform im Berichtszeitraum 1997 / 98 kaum voran. Das Defizit im Staatshaushalt lag 1996 und 1997 bei jeweils fast 8 % des BIP. Die im Zuge der Finanzkrise drastisch gestiegenen Zinss�tze bedeuten f�r den Staatshaushalt eine erhebliche zus�tzliche Belastung; der Anteil des Schuldendiensts an den Ausgaben des f�deralen Haushalts stieg von 12,1 % (1. Halbjahr 1997) auf 35,6 % (1. Halbjahr 1998). Problematisch ist auch die �berwiegend kurzfristige Finanzierung der stark steigenden inl�ndischen Staatsverschuldung.

Die mit den im Londoner Club zusammengeschlossenen westlichen Gl�ubigerbanken 1995 vereinbarte und am 6.10. 1997 unterzeichnete langfristige Umschuldung von 32,3 Mrd. US- $ (von der RF �bernommene Verbindlichkeiten der ehem. UdSSR), die den Banken keine direkten Verzichte abverlangt, tritt am 2.12. in Kraft; vorgesehen ist eine R�ckzahlung binnen 25 Jahren bzw. f�r die Zinsr�ckst�nde binnen 20 Jahren bei jeweils sieben Freijahren.

Mit Wirkung zum 1.1. 1998 wird der Nennwert des Rubels reduziert (1 neuer Rubel = 1000 alte Rubel); bis Ende 1998 werden die alten Noten parallel in Umlauf bleiben.

Der von Staatsduma und F�derationsrat am 4.3. bzw. 12.3. gebilligte und von Pr�sident Jelzin am 27.3. unterzeichnete Staatshaushalt 1998 sieht bei Einnahmen von 368 Mrd. Rubel und Ausgaben von 500 Mrd. Rubel ein Budgetdefizit von 4,7 % des erwarteten BIP vor. Die Regierung, die unter dem Druck der Staatsduma geplante Ausgabenk�rzungen um 30 Mrd. Rbl zur�ckgenommen hatte, erh�lt das Recht, die Ausgaben im Falle neuer Einnahmeausf�lle ohne Konsultation des Parlaments um 5 % zu k�rzen. Der Haushalt ist v.a. in bezug auf den geplanten Schuldendienst unrealistisch, denn ihm liegt ein Zinssatz von 12-14 % zugrunde; der durchschnittliche Zinssatz f�r Staatsobligationen liegt im Juli 1998 bei 81 % und am 13.8. vor�bergehend bei 210 %.

Die Steuerschulden der Unternehmen betrugen am 1.7. 1998 228 Mrd. Rbl (rd. 37 Mrd. US- $ vor Abwertung). Die stark zunehmenden Gesamtverbindlichkeiten gro�er und mittlerer Unternehmen und Institutionen beliefen sich am 1.7. auf 2256 Mrd. Rbl, davon 1162 Mrd. Rbl �berf�llige Verbindlichkeiten von 73 489 Unternehmen. Die Lohnr�ckst�nde betrugen am 1.8. 76 Mrd. Rbl (+39 % gegen�ber 1.8. 1997; +44 % gegen�ber 1.1. 1998); davon entfallen 20 % auf den �ffentlichen Dienst und 80 % auf staatliche und private Unternehmen. Die R�ckst�nde bei den Renten beliefen sich am 1.6. auf 9 Mrd. Rbl.

Landesweit kommt es wiederholt zu Demonstrationen und Streiks verschiedener Berufsgruppen f�r die Auszahlung von seit Monaten ausstehender L�hnen; u.a. demonstrieren 9.4. 1998 etwa 50 000 Menschen in St. Petersburg. Nach ersten Lohnauszahlungen und weitgehenden sozialen Zugest�ndnissen der Regierung beenden Tausende von Bergarbeitern v.a. in den Gebieten Kemerowo (Westsibirien) und Tscheljabinsk (S�dural) am 24.5. ihre zehnt�gige Blockade wichtiger Eisenbahnlinien, darunter die Transsibirische Eisenbahn; die Blockade drohte die Wirtschaft des Landes weitgehend lahmzulegen. Im Juli kommt es erneut zu Blockaden von Eisenbahnlinien bei Kemerowo und Tscheljabinsk durch Bergleute.

Wegen des Abwertungsdrucks auf den Rubel, dem die Zentralbank u.a. mit massiven St�tzungsk�ufen (allein im Juli und August 1998 �ber 9 Mrd. US- $) zu begegnen sucht, werden ab 11.11. 1997 mehrfach die Zinss�tze (von 21 % auf vor�bergehend 150 %) erh�ht.

Das von Ministerpr�sident Kirijenko am 23.6. 1998 vorgestellte Anti-Krisen-Programm, das die Steuerlast von der Produktion auf den Verbrauch verlagern soll, sieht v.a. Ausgabenk�rzungen sowie h�here Staatseinnahmen durch neue Steuergesetze und eine konsequentere Steuereintreibung vor, l�st aber die grundlegenden Probleme nicht. Die Staatsduma billigt ab 1.7. zwar Teile dieses Stabilisierungsprogramms, lehnt jedoch am 17.7. wesentliche Elemente des Programms ab, darunter die Einf�hrung eines einheitlichen Mehrwertsteuersatzes von 20 % (bisher 10 % u.a. f�r Lebensmittel und Kinderartikel) und die Erh�hung der Grundsteuer ab; von der angestrebten Entlastung der �ffentlichen Haushalte um 102 Mrd. Rbl bleiben daher nur 28 Mrd. Rbl �brig. Daraufhin f�hrt die Regierung am 18.7. einen Zoll von 3 % auf alle Importe ein; zugleich ordnet Pr�sident Jelzin per Dekret die Erh�hung der Grundsteuer an und legt sein Veto gegen zwei von der Staatsduma verabschiedete Steuersenkungsgesetze ein.

Der Internationale W�hrungsfonds (IWF), der insb. wegen zu geringer Steuereinnahmen mehrfach Ziehungen von Tranchen des im M�rz 1996 gebilligten Kredits von 10 Mrd. US- $ vor�bergehend verweigert hat, setzt am 25.6. 1998 seine Auszahlungen fort; das Verhalten des IWF unterliegt seit langem mehr politischen als wirtschaftlichen Kriterien. Am 20.7. genehmigt der IWF einen zus�tzlichen Kredit von 11,2 Mrd. US- $ ; die erste, sofort f�llige Tranche wird jedoch u.a. wegen mangelnder parlamentarischer Unterst�tzung f�r Teile des Stabilisierungsprogramms von 5,6 auf 4,8 Mrd. US- $ reduziert. Die Mittel sind Teil der von IWF, Weltbank und Japan am 13.7. grunds�tzlich zugesagten Finanzhilfen von 22,6 Mrd. US- $ (darunter 5,6 Mrd. US- $ , die bereits fr�her zugesagt wurden) zur St�tzung des Rubelkurses und zur �berwindung der Finanzkrise; dennoch kommt es nicht zu der erhofften Beruhigung der russischen Finanzm�rkte. Wegen Liquidit�tsproblemen im Bankensektor beschr�nkt die Zentralbank ab 13.8. 1998 den Devisenkauf durch sche Banken.

Obwohl Pr�sident Jelzin noch am 14.8. erneut eine Abwertung des Rubels ausschlo�, geben Regierung und Zentralbank unter dem Druck der sich Mitte August weiter versch�rfenden Finanzkrise und der Krise im Bankensystem am 17.8. u.a. bekannt: u.a. Ausweitung des Wechselkurskorridors f�r den Rubel gegen�ber dem US-$ von 5,27-7,13 auf 6-9,5 Rubel je US-$ und damit die faktische Abwertung des Rubels; 90t�giges Schuldenmoratorium f�r die Bedienung von Auslandsverbindlichkeiten. Banken mit kritischer Finanzlage werden unter die Aufsicht der Zentralbank gestellt und die Konten vorerst eingefroren. Mit der Abwertung des Rubels wurden die wesentlichsten und sichtbarsten Reformerfolge der letzten Jahre, die W�hrungsstabilit�t und die Preisstabilisierung, aufgegeben.

Um die zunehmende Kapitalflucht, die bereits im November 1997 eingesetzt hatte, einzud�mmen, wird die Konvertibilit�t des Rubels beschr�nkt;. der Wechselkurs, der ab 3.9. nicht mehr von der Zentralbank gest�tzt wird, sinkt von 6,2585 Rbl je US-$ (13.8.) auf 20,83 Rbl je US-$ (8.9.), d.h. Abwertung des Rubels gegen�ber dem US- $ um 70 %.

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