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Massenvernichtungswaffen
ihr bisheriger Einsatz sowie Maßnahmen zu ihrer Eindämmung

 

Massenvernichtungswaffen sind atomare, biologische und chemische Kampfmittel (kurz: ABC-Waffen), die in ihrer Wirkung die herkömmlichen Waffen um ein Vielfaches übertreffen. US-Präsident George W. Bush und sein Verteidigungsminister Donald Rumsfeld haben im Vorfeld des Irak-Kriegs mehrfach die Überzeugung geäußert, dass der Irak trotz gegenteiliger Beteuerungen chemische und biologische Waffen besitze und Saddam Hussein entschlossen sei, auch an Atomwaffen zu gelangen. Mit der Gefahr durch Massenvernichtungswaffen in der Hand feindlicher Regime – Präsident Bush sprach in seiner Botschaft zur Lage der Nation vom 29.1.2002 von einer den Weltfrieden gefährdenden "Achse des Bösen" und nannte namentlich Irak, Iran und Nordkorea – rechtfertigt die US-Regierung ihre am 20.9.2002 verkündete Nationale Sicherheitsstrategie, die als äußerstes Mittel den Präventivkrieg vorsieht.

Als einer der offiziellen Gründe für den Militärschlag der USA und Großbritanniens sowie weiterer Verbündeter gegen den Irak (20.3.–1.5. 2003) wurde die Vernichtung der dort verborgenen B- und C-Waffen genannt, die eine Bedrohung der ganzen Welt darstellten. Gefunden wurden solche Waffen bislang allerdings nicht. Bush und der britische Premierminister Tony Blair stehen deswegen innenpolitisch inzwischen unter starkem Druck.

Dass der Irak in den 80er Jahren ein ehrgeiziges Waffenprogramm vorangetrieben hat, ist unbestritten. Doch zumindest ein Großteil des aufgefundenen Materials wurde zwischen 1991 und 1998 von den Inspektoren der Vereinten Nationen (UN) der Zerstörung zugeführt. Der US-Waffeninspekteur David Kay, der mit 1200 Mitarbeitern im Irak derzeit nach Hinweisen auf verbotene Waffenprogramme sucht, teilte Anfang Oktober 2003 mit, es seien bisher weder chemische noch biologische Waffen gefunden worden. Doch gebe es Hinweise darauf, dass die irakische Führung geplant habe, die Produktion solcher Waffen wieder aufzunehmen.

Atomwaffen

Einsatz
Atomare Waffen sind Geschosse, Raketen, Bomben und Torpedos mit Sprengladungen aus Kernsprengstoffen. Sie wirken durch Druckwellen, Hitzestrahlen und radioaktive Strahlung. Ihr erster und bisher letzter Einsatz erfolgte im August 1945: Unmittelbar vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschloss US-Präsident Harry S. Truman im Einverständnis mit dem britischen Premierminister Winston Churchill, die Atomwaffe gegen Japan einzusetzen, um vor allem schwere Verluste der Alliierten bei einer Invasion in das japanische Kernland zu verhindern und die Kapitulation Japans zu beschleunigen. Das erste Ziel war am 6.8.1945 die japanische Hafenstadt Hiroshima. Die Uranbombe mit einer Sprengkraft von 20 Kilotonnen vernichtete 80% der Stadt. Von den rund 300.000 Einwohnern starben etwa 80.000 sofort, weitere 100.000 an den Folgen ihrer Verletzungen. Eine zweite Bombe, diesmal mit Plutoniumfüllung, wurde am 9.8.1945 über der Nagasaki gezündet. Rund 70.000 Menschen fanden hier den Tod. Am Tag darauf kapitulierte Japan bedingungslos.

Maßnahmen
Ein erster, begrenzter Erfolg in dem Bemühen um eine Eindämmung der Gefahren durch Atomwaffen ist der 1963 unterzeichnete Vertrag über einen teilweisen Atomteststopp (Partial Test Ban Treaty/PTBT), der Atomwaffenversuche in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser untersagt. Er trat nach der Ratifizierung durch die drei Atomwaffenstaaten Großbritannien, Sowjetunion und USA noch im selben Jahr in Kraft. Nicht beigetreten sind die beiden weiteren Atomwaffenstaaten Frankreich und China. Als "ursprüngliche Atomwaffenstaaten" werden jene Länder bezeichnet, die vor dem 1.1.1967 Atomwaffen hergestellt oder gezündet haben. Sie werden in der Folge Atomwaffenstaaten genannt. China, das 1980 – als letzter Staat überhaupt – einen Nuklearversuch in der Atmosphäre durchgeführt hat, gab 1986 die unbefristete Einstellung solcher Tests bekannt. Der PTBT, der bisher von 131 Staaten unterzeichnet und durch 94 ratifiziert worden ist, behält auch nach einem Inkrafttreten des Vertrags über ein umfassendes Verbot von Atomwaffenversuchen (CTBT) seine Gültigkeit. Ein PTBT-Vertragsstaat, der dem CTBT nicht beitritt, bleibt also immerhin dem PTBT verpflichtet.

Ein zweiter Schritt ist der 1968 unterzeichnete und 1970 in Kraft getretene Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen (Non-Proliferation Treaty/NPT; kurz: Atomwaffensperrvertrag), der die Weitergabe von Atomwaffen und von atomwaffenfähigem Material verbietet. Die fünf Atomwaffenstaaten (China, Frankreich, Großbritannien, UdSSR und USA) akzeptierten das Recht der Vertragspartner auf eine friedliche Nutzung der Kernenergie unter Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Der zunächst auf 25 Jahre befristete Vertrag wurde 1995 auf einer Überprüfungskonferenz der bis dahin 178 Unterzeichnerstaaten per Akklamation zeitlich unbegrenzt und ohne Bedingungen verlängert. Ermöglicht wurde dieser Schritt durch die von den fünf Atomwaffenstaaten verkündete Bereitschaft, 1996 einen umfassenden Teststoppvertrag zu schließen. Dem NPT gehören heute 188 Staaten an, darunter auch die ehemaligen Atomwaffenschwellenländer Argentinien und Brasilien, der frühere Atomwaffenstaat Südafrika sowie Kasachstan, die Ukraine und Weißrussland als "nukleare Erben" der Sowjetunion. Damit hat der NPT nahezu weltweite Gültigkeit erreicht. Lediglich Indien, Israel, Kuba und Pakistan stehen noch außerhalb des Vertragsregimes. Die mutmaßliche Atomnation Nordkorea kündigte den NPT allerdings am 10.1.2003 auf; der Austritt wurde nach der im Vertrag vorgesehenen dreimonatigen Kündigungsfrist am 10.4.2003 wirksam.

Eine dritte Maßnahme ist der Vertrag über ein umfassendes Verbot von Atomwaffenversuchen (Comprehensive Test Ban Treaty/CTBT), der am 10.9.1996 auf einer Sondersitzung der UN-Generalversammlung mit 158 gegen drei Stimmen (Indien, Libyen und Bhutan) und fünf Enthaltungen (Kuba, Libanon, Mauritius, Syrien und Tansania) gebilligt wurde. Auf der Genfer Abrüstungskonferenz (CD), in der für eine Beschlussfassung Einstimmigkeit erforderlich ist, war der Vertragsentwurf zuvor nach jahrelangen Verhandlungen am Widerstand Indiens gescheitert, das vergeblich einen verbindlichen Zeitplan für die Abrüstung der Atomwaffen der fünf Atomwaffenstaaten geforderte hatte. Der CTBT, der alle Kernwaffentests und alle anderen nuklearen Explosionen für militärische und zivile Zwecke umfassend und verifizierbar verbietet, wurde bisher durch 170 Staaten unterzeichnet und von 108 Staaten ratifiziert – darunter Frankreich, Großbritannien und Russland. Die Ratifikation durch China und die USA steht aus. Indien und Pakistan, die über Kernwaffenkapazitäten verfügen, haben den Vertrag nicht einmal unterzeichnet; auch nicht Nordkorea. Der CTBT kann erst nach der Ratifizierung durch alle 44 in Annex 2 des Vertrags aufgeführten Staaten mit "nuklearer Kapazität" (= nukleare Forschungsreaktoren militärischer oder ziviler Art) in Kraft treten. Und von diesen 44 haben erst 31 den CTBT ratifiziert. Die Einhaltung des CTB soll durch die Vertragsorganisation CTBTO (www.ctbto.org) überwacht werden.

Eine Entscheidung mit möglicherweise weit reichenden Folgen für die nukleare Abrüstung wurde am 21./22.5. 2003 in den USA getroffen: Beide Häuser des republikanisch beherrschten Kongresses beschlossen im Rahmen des nächsten Pentagon-Etats die Aufhebung des seit 1993 in den USA geltenden "low-yield weapons ban", eines Gesetzes, welches Erforschung, Entwicklung, Tests und Produktion von Atomwaffen mit einer Sprengkraft von bis zu fünf Kilotonnen des herkömmlichen Sprengstoffs TNT untersagt. Die Sprengkraft dieser so genannten Mini-Nukes entspricht etwa einem Drittel der 1945 über Hiroshima gezündeten Atombombe. Verteidigungsminister Rumsfeld erklärte dazu, Bunker brechende Waffen dieses Typs seien potenziell nützlich, um versteckte chemische und biologische Waffenarsenale zu zerstören. Er betonte aber, dass die Regierung nur daran interessiert sei, diese Waffen zu erforschen. Man habe kein Interesse an ihrem Bau oder ihrem Einsatz. Befürworter einer nuklearen Abrüstung sehen in der Maßnahme der US-Regierung den Einstieg in die Entwicklung einer neuen Waffengeneration, die Atombomben zu einem Mittel der Kriegsführung machen könnten. Andere Staaten würden unweigerlich angespornt, dem Beispiel zu folgen, und das wiederum wäre praktisch das Ende aller Bemühungen um eine Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen.

Biologische Waffen

Einsatz
Biologische Kampfmittel können Menschen Tiere und Pflanzen durch Versprühen oder Zerstäuben von Flugzeugen aus oder mittels Raketenbeschuss verseuchen. Solche Waffen wurden bisher noch nicht im Krieg eingesetzt. Doch die Erreger schwerer Krankheiten – u.a. Anthrax (Milzbrand), Pocken, Lungenpest, Tetanus, Botulismus, Cholera und Ebola – werden für biologische Waffen gezüchtet. Ein terroristischer Einsatz biologischer Waffen – selbst gegen die Zivilbevölkerung – ist möglich. Am 4.10.2001 schien diese Schreckensvision in den USA Wirklichkeit zu werden. Bei einem Fotoreporter wurde offiziell Lungenmilzbrand diagnostiziert; vermutlich hatte er einen mit Anthrax-Sporen verseuchten Brief geöffnet. Einen Tag darauf war er gestorben.

Maßnahmen
Die Verwendung biologischer (bakteriologischer) Waffen wurde bereits 1925 durch das Genfer Giftgasprotokoll verboten, einem internationalen Abkommen, das auch den Einsatz bakteriologischer Mitteln im Krieg untersagt. Deutschland verzichtete im Rahmen seines Beitritts zur Westeuropäischen Union (WEU) 1954 auf die Herstellung solcher Kampfstoffe. Das 1972 unterzeichnete und 1975 in Kraft getretene Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) und toxischer Waffen und ihre Vernichtung – kurz: Biowaffenübereinkommen (Biological Weapons Convention/BWC) – wurde bisher von 167 Staaten unterzeichnet und durch 151 Staaten ratifiziert, darunter alle NATO-Mitglieder sowie Russland, und damit – jedenfalls auf dem Papier – akzeptiert. Syrien und Ägypten haben das Übereinkommen zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Israel hat es nicht einmal unterzeichnet. Der Irak wurde nach der Invasion in Kuwait (1991) durch die Resolution 687 des UN-Sicherheitsrats von 1991 zum Beitritt verpflichtet. Im BWC fehlt ein effektives Überprüfungs- und Kontrollsystem, weshalb die Unterzeichnerstaaten Mitte der 90er-Jahre diesbezügliche Verhandlungen aufnahmen. Im Herbst 2001 stellten die USA auf der Genfer Überprüfungskonferenz zum BWC jedoch klar, dass sie Inspektionen auf ihrem Territorium wegen der damit verbundenen Spionagegefahr grundsätzlich ablehnen; im Dezember 2002 zogen sie sich ganz aus der Konferenz zurück.

Chemische Waffen

Einsatz
Chemischen Kampfstoffe können aus trag- oder fahrbaren Behältern abgelassen oder mittels Gasgranaten, Raketen oder von Flugzeugen aus versprüht werden. Sie wirken auf die Augen, die Atmungsorgane, die Haut oder das Zentralnervensystem des Opfers. Erstmals eingesetzt wurde diese Waffe – zumindest in großen Stil – während des Ersten Weltkriegs (1914–18). Zehntausende Soldaten starben durch Giftgas (u.a. Gelbkreuz oder Senfgas). Trotz eines Verbots durch das Genfer Giftgasprotokoll von 1925, das den Einsatz von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen im Krieg untersagt, gelang es in der Folge nicht, chemische Kampfstoffe verbindlich und wirksam zu ächten. Allerdings wurden sie im Zweiten Weltkrieg (1939–45) nicht eingesetzt, obwohl alle Beteiligten auf ihren Einsatz vorbereitet waren. Im Vietnamkrieg (1964–73) setzten die USA jedoch chemische Waffen großflächig ein, so in Form des dioxinhaltigen "Entlaubungsmittels" Agent Orange und von Napalm. Die ökologischen Schäden waren verheerend. Die genaue Zahl der Todesopfer unter der vietnamesischen Bevölkerung ist nicht bekannt, sie dürfte aber in die Hunderttausende gehen. Im Krieg gegen den Iran (1980–88) setzte der von der Sowjetunion und vom Westen gleichermaßen hochgerüstete Irak unter Saddam Hussein Anfang 1984 Giftgas wie Sarin und Senfgas ein, in der Endphase auch gegen die Kurden im eigenen Land: 65 kurdische Dörfer im Nordirak wurden im März 1988 mit Giftgas bombardiert, darunter auch das Dorf Halabja, in dem rund 5000 Menschen daran gestorben sein sollen.

Maßnahmen
Dem 1997 in Kraft getretene Übereinkommen über das weltweite Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Convention on the Prohibition of the Development, Production, Stockpiling and the Use of Chemical Weapons and on their Destruction/CWC; kurz: Chemiewaffenübereinkommen) sind bisher 157 Staaten beigetreten, darunter auch die USA und Russland als die Besitzer der weltweit größten Bestände an Chemiewaffen. Verifiziert wird das Übereinkommen durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Doch obwohl die Altbestände allmählich unter Aufsicht der OPCW vernichtet werden, bleiben Gefahren durch chemische Stoffe bestehen – dafür sorgen nicht nur terroristische Gruppen sondern auch Staaten wie Libyen, Nordkorea und Syrien, die über C-Waffen verfügen sollen und dem Übereinkommen nicht beigetreten sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


David Kay

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


CTBTO

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


OPCW

   
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