Die
Erdölförderung kann mit der ständig wachsenden
Nachfrage kaum noch Schritt halten. Die Rohölpreise
erreichten Rekordhöhen. Gründe hierfür
sind vor allem das rasche, mit einem großen Energiebedarf
einhergehende Anwachsen der Weltwirtschaft, besonders
der asiatischen Volkswirtschaften (China, Indien), die
niedrigen Mineralölbestände in wichtigen Verbraucherländern
(wie den USA) sowie die politische Instabilität in
Hauptproduzentenländern (wie Venezuela) - verbunden
mit der Angst vor weiteren Terroranschlägen gegen
Einrichtungen und ausländische Mitarbeiter von Erdölunternehmen
in Saudi-Arabien. Die Industriestaaten befürchten,
dass anhaltend hohe Ölpreise die Erholung der Weltwirtschaft
beeinträchtigen könnten. Nach
Schätzung der Internationalen Energieagentur (IEA)
wird die weltweite Nachfrage nach Rohöl im Jahr
2004 mit 80,6 Mio. Barrel (1 Barrel/b [Fass] = 159 Liter)
pro Tag den höchsten Stand seit 16 Jahren erreichen;
2003 waren es 78,6 Mio. Barrel pro Tag (b/d). Saudi-Arabien,
das maßgebliche Förderland innerhalb der
Organisation erdölexportierender Länder (OPEC),
förderte 2003 täglich 8,48 Mio. b; die übrigen
OPEC-Staaten - ohne Irak - zusammen 21,98
Mio. b/d. Saudi-Arabien kann derzeit als einziges OPEC-Mitglied
die Ölförderung nennenswert steigern, da seine
Kapazitäten nur zu 85 Prozent ausgelastet sind.
Bei den anderen OPEC-Mitgliedern sind Fördererhöhungen
von zusammen höchstens 0,5 Mio. b möglich.
Eine größere Kapazitätsausweitung scheitert
vor allem an mangelhafter Infrastruktur. In der Vergangenheit
wurde zu wenig in weitere Ölfelder und in das erforderliche
Equipment investiert. Russland, das nicht der OPEC angehört,
hat bereits von Januar bis April 2004 seine Förderung,
die 2003 mit 8,49 Mio. b/d nur knapp über der von
Saudi-Arabien lag, um zehn Prozent angehoben.
Die OPEC (Organization of the Petroleum
Exporting Countries), auf die heute knapp ein Drittel
der weltweiten Ölproduktion (2003: 30,46 Mio. b/d)
entfällt, wurde 1960 zur Preisregulierung gegründet
und umfasst derzeit elf Mitgliedstaaten: Algerien, Indonesien,
Iran, Irak, Kuwait, Libyen, Nigeria, Katar, Saudi-Arabien,
Vereinigte Arabische Emirate und Venezuela. Der Irak,
der mit 112,5 Mrd. b nach Saudi-Arabien über die
zweitgrößten bekannten Rohölreserven
weltweit verfügt, ist auf Grund der Verwendungsauflagen
der Vereinten Nationen (UN) von Quotierungen befreit
und exportierte im Rahmen des Oil for Food-Programms
Öl unter UN-Kontrolle. Der Irak wird jetzt wieder
voll in die OPEC integriert. Wichtige Erdöl exportierende
Staaten, die nicht der OPEC angehören - wie
Mexiko (2003: 3,79 Mio. b/d) und Norwegen (3,26 Mio.
b/d) - orientieren sich meistens an den Entscheidungen
der Organisation.
Die Förderpolitik der OPEC
hat zwar maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung
der Rohölpreise, ihre Bedeutung ist aber im Vergleich
mit den 1970er Jahren gesunken. Die Versuche des Kartells,
durch eine Veränderung des Ölangebots die
Preise auf einem angestrebten Niveau zu stabilisieren,
gingen stets zu Lasten ihrer Marktanteile. Preiserhöhungen
über Förderkürzungen haben in den Erdöl
importierenden Staaten zu einer Diversifizierung der
Bezugsquellen und zur Entwicklung alternativer Energiequellen
geführt - aber auch zu einer Erhöhung
der Förderung in nicht der OPEC angehörenden
Ländern wie Russland.
Bei der ersten Ölkrise 1973/74
im Zusammenhang mit dem Yom-Kippur-Krieg (Israel) und
dem Ölboykott der arabischen Mitglieder der OPEC
gegenüber westlichen Industriestaaten hatte sich
der nominale Ölpreis von 2,89 auf 11,65 US-$ pro
Barrel vervierfacht. Die OPEC-Staaten erbrachten damals
noch 55 Prozent der Welterdölproduktion. Die Ölpreise
wurden in den Folgejahren - meist halbjährlich
- um fünf bis zehn Prozent angehoben, um
den Wertverlust des US-$ zu kompensieren. Zur zweiten
Ölkrise kam es nach der islamischen Revolution
im Iran (1979) Anfang der 1980er Jahre: Der Ölpreis
verdreifachte sich innerhalb von zwei Jahren von 13,30
auf einen Spitzenwert von 42,10 US-$/b. Wegen der Wirtschaftsrezession
in den Industriestaaten und vor allem aufgrund der seit
der ersten Ölkrise in Angriff genommenen Entwicklung
alternativer Energiequellen in den Importstaaten sowie
einem Ausweichen auf nicht der OPEC angehörende
Erdölproduzenten kam es 1981 zu einem Absatzrückgang
von OPEC-Öl; dessen Anteil an der Weltölproduktion
sank bis 1985 auf 30 Prozent, der Ölpreis rutschte
1986 auf weniger als 10 US-$/b ab. Nach zwei Ölkrisen
gab es jetzt die erste OPEC-Krise. Die OPEC-Staaten
versuchten in der Folge, über Produktionskürzungen
wieder höhere Ölpreise zu erzielen. Spitzenwerte
wie heute wurden aber nur nach dem Einmarsch des Irak
in Kuwait 1990 erreicht.
Seit 2002 war die OPEC bestrebt,
mit Veränderungen ihrer Fördermengen die Rohölpreise
innerhalb einer Spanne zwischen 22 und 28 US-$/b Barrel
zu halten. Grundlage für dieses Preisband bildet
der so genannte OPEC-Korbpreis, der auf Basis von sieben
Referenzölen berechnet wird. Die 28-US-$-Obergrenze
ist jedoch seit Ende 2003 nie unterschritten worden;
zuletzt erreichte der Korbpreis eine Höchstnotierung
von 37,44 US-$/b. Für den europäischen Markt
sind die Notierungen für das Nordseeöl der
Marke Brent ausschlaggebend. Der Brentölpreis erreichte
am 1. Juni 39 US-$/b. Der Preis für die US-Rohöl-Richtmarke
West Texas Intermediate (WTI), der in der Regel über
den Brentölnotierungen liegt, hatte am 17. Mai
2004 die Marke von 41,85 US-$/b erreicht - die
höchste Notierung seit dem Beginn des Rohölhandels
an der New Yorker Warenterminbörse Nymex vor 21
Jahren.
Am 31. März 2004 beschlossen
die OPEC-Öl- und Energieminister auf ihrer 130.
Ministertagung in Wien trotz der hohen Rohölpreise,
die in den Tagen zuvor auf ein 13-Jahres-Hoch geklettert
waren, eine Senkung der Ölförderung um 1 Mio.
b auf 23,5 Mio. b/d. Diese Marke wurde jedoch wegen
mangelnder Quotendisziplin der Kartellmitglieder täglich
um fast 2 Mio. b überschritten. Auf ihrem 131.
(außerordentlichen) Treffen in Beirut am 3. Juni
2004 beschlossen die OPEC-Minister nunmehr eine Erhöhung
der Fördermengen in zwei Schritten: Die Förderquote
wird ab sofort um 2 Mio. b/d auf 25,5 Mio. b/d erhöht.
Eine weitere Anhebung um 0,5 Mio. b/d ist im August
geplant. Am 21. Juli wird ein weiteres Treffen der OPEC-Minister
stattfinden, um die Politik zu überprüfen.
Die Ölpreise reagierten kaum auf den Beschluss
von Beirut; der Brentpreis fiel nur knapp unter die
37 US$-Marke. Eine nachhaltige Entspannung könnte
sich nach Einschätzung von Experten erst mit einer
Verzögerung von mehreren Wochen ergeben.
Weiterführende Links
OPEC:
www.opec.org
Internationale
Energieagentur (IEA): www.iea.org
OECD:
www.oecd.org/deutschland
Grafiken:
www.wtrg.com/opec/opecgraphs/
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