Seit
Ende 2003 breitet sich eine Vogelgrippe-Epidemie des
Subtyps H5N1 in Asien aus. Sie hat bisher China, Indonesien,
Japan, Kambodscha, Laos, Südkorea, Thailand, Malaysia,
Vietnam, Sibirien und Zentralasien erfasst. Mehrere
zehn Millionen Tiere in Geflügelfarmen starben
oder wurden vorsorglich getötet. Mehr als 60 Menschen,
rund die Hälfte der Infizierten, sind bisher daran
gestorben. Die Übertragung des Erregers vom Tier
auf den Menschen kam bisher fast ausschließlich
bei engem Kontakt zu infizierten Tieren vor. Zu einer
breiten Gefahr für den Menschen wird das Vogelgrippe-Virus
erst dann, wenn es mutiert und nicht nur im direkten
Kontakt mit kranken Tieren, sondern auch zwischen Menschen
übertragen wird.
Vordringen nach Europa
Die Vogelgrippe wurde vermutlich
durch Zugvögel nach Europa eingeschleppt: Mitte
Oktober 2005 wurde offiziell bestätigt, dass bei
Geflügel in der Türkei, in Rumänien sowie
auch im europäischen Teil Russlands der in Asien
zirkulierende Virusstamm H5N1 nachgewiesen wurde. Die
Europäische Union (EU)
erließ umgehend umfassende Importverbote für
Geflügel und Geflügelprodukte aus den betroffenen
Ländern. So wurde z.B. in Deutschland an Flughäfen
Geflügelfleisch aus Asien, Russland, der Türkei
und Rumänien beschlagnahmt und vernichtet. Am 17.
Oktober 2005 bestätigte Griechenland als erster
EU-Mitgliedstaat einen Fall von Vogelgrippe in einem
verendeten Truthahn auf einer Ägäis-Insel
in der Nähe der türkischen Küste, wobei
es noch unklar blieb, ob es sich bei dem Virus um die
Variante H5N1 handelt.
Der Subtyp H5N1
Die Vogelgrippe (aviäre Influenza)
ist eine seit über 100 Jahren bekannte, hoch ansteckende
Viruskrankheit, die Wildvögel, Ziervögel und
Geflügel in Tierhaltung, hier vor allem Hühner
und Puten, befällt. Europäische Länder
waren in der Vergangenheit auch schon befallen, doch
ein großer Ausbruch wurde noch nicht registriert.
Zugvögel sorgen für die schnelle Verbreitung.
Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
befürchten, dass neue Varianten des Erregers wesentlich
ansteckender sein werden und daher eine globale Grippewelle
auslösen könnten. Hinweise auf eine Mutation
des in einen auch von Mensch zu Mensch leicht übertragbaren
Virus gibt es bisher aber nicht. Bislang sind laut WHO
mindestens 15 Subtypen von Grippeviren bekannt, die
Vögel infizieren können. Das derzeit in Südostasien
grassierende Typ-A-Virus H5N1 gilt als besonders gefährlich:
Es kann sehr schnell sein Erbgut ändern und auch
den Menschen infizieren.
Vorsorgemaßnahmen
Angesichts der Vogelgrippe-Fälle
in der Nähe von Moskau erließ das deutsche
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft (BMVEL)
am 19. Oktober 2005 eine Eilverordnung für eine
bundesweite Stallpflicht für Geflügel: Vom
22. Oktober bis 15. Dezember 2005, dem Ende des Vogelzugs,
muss freilaufendes Geflügel in Ställen gehalten
werden. Wo dies nicht möglich sei, soll der Kontakt
zwischen Haus- und möglicherweise infizierten Wildvögeln
auf andere Art vermieden werden. In Bayern gilt bereits
eine entsprechende Verordnung; zudem wurden im Freistaat
sämtliche Geflügelmärkte und Vogelschauen
verboten. In den übrigen Bundesländern galt
bisher nur eine Stallpflicht für Geflügel
in so genannten Risikozonen (in Nordrhein-Westfalen,
Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern). Die betroffenen
Regionen gelten als Zielgebiete von Zugvögeln,
die den bereits bis nach Russland vorgedrungenen Vogelgrippe-Erreger
in sich tragen könnten. Nach bisherigen Erkenntnissen
gibt es in Deutschland noch keine erkrankten Vögel.
Ein generelles Freilaufverbot für Geflügel
gilt auch in Österreich, den Niederlanden und in
Polen, das in großer Zahl Weihnachtsgänse
für Deutschland liefert. Am 21. Oktober kündigte
auch die Schweiz ein Freilaufverbot an.
Gefahr einer Pandemie?
Mit dem Vorrücken der Vogelgrippe
an Europas Grenzen steigt die Angst vor einer Pandemie.
Darunter versteht man den grenzübergreifenden,
wenn nicht sogar weltweiten Ausbruch einer Krankheit
- im Unterschied zur Epidemie, bei der die Krankheit
auf eine lokale Gruppe von Menschen beschränkt
ist. Sollte das Virus H5N1 die Fähigkeit entwickeln,
von Menschen auf Menschen überzugehen, droht eine
Pandemie. Voraussetzung ist, dass das Virus sein Erbgut
verändert oder sich mit einem Erreger der humanen
Influenza kreuzt. Dies könnte etwa geschehen, wenn
ein Mensch gleichzeitig an Human- und Vogelgrippe erkrankt.
Noch gibt es dieses »Supervirus« nicht.
Das Robert-Koch-Institut betonte, dass das Risiko einer
Pandemie steigt, je weiter ein Virus verbreitet ist,
welches das Potenzial zur Anpassung an den Menschen
hat. Die WHO meint, die Welt stehe möglicherweise
»am Rande einer weiteren Pandemie«.
Im 20. Jahrhundert hat es drei Influenza-Pandemien
gegeben: Die Spanische Grippe, die zwischen 1918 und
1920 weltweit bis zu 50 Millionen Menschen tötete,
die Asiatische Grippe von 1957 mit bis zu zwei Millionen
Toten und die Schweinegrippe, an der 1968 knapp eine
Million Menschen starben. Für die jüngste,
noch nicht beendete Pandemie ist das HI-Virus verantwortlich.
Derzeit sind weltweit mindestens 40 Millionen Menschen
an AIDS erkrankt, rund 20 Millionen starben bislang
an der Immunschwächekrankheit.
Nicht ausreichend Medikamente
vorhanden
Die herkömmliche Grippe-Impfung
schützt nicht vor der Vogelgrippe; Impfstoffe zum
Schutz von Menschen gegen das Virus H5N1 gibt es derzeit
nicht. Für Menschen, die Kontakt mit erkranktem
Geflügel haben, empfehlen Experten dennoch eine
herkömmliche Grippe-Impfung, um Doppelinfektionen
zu verhindern. Laut WHO sind die derzeitigen weltweiten
Vorräte an Medikamenten für einen Schutz gegen
die Vogelgrippe unzureichend, falls das Virus von Mensch
zu Mensch übertragen wird; die Organisation verhandelt
aber mit Pharmakonzernen über Möglichkeiten
zur Ausweitung der Produktion von Antigrippe-Mitteln.
(MvB)
Für weitere Informationen:
Bundesministerium
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
(BMVEL):
www.verbraucherministerium.de
Auswärtiges
Amt:
Merkblatt
Vogelgrippe
Robert-Koch-Institut:
www.rki.de
Weltgesundheitsorganisation:
www.who.int
Center
for Disease Control:
www.cdc.gov
Europäische
Union (EU):
www.eu.int
Weltorganisation
für Tiergesundheit (OIE):
www.oie.int
Ernährungs-
und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO):
www.fao.org
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